IM BURGGARTEN
Endlich ist es Frühling, ja beinahe Sommer geworden. Von einem Tag
auf den anderen ist das kaltnasse Aprilwetter in einen brütendheißen Tag
umgeschlagen.
Verrückt!
Aber so ist dieser launische Monat eben.
Ich
eile zielstrebig zu meinem Stammplatz. Zu den steinernen Stufen der Treppe, die
hinaufführt zum Schmetterlingshaus. Hier habe ich schon manche Stunde in der
Sonne gelesen oder gedöst, denn herrlich windgeschützt ist dieses Plätzchen.
Die vor meinen lichtträgen Augen liegende Wiese ist erst zart begrünt.
Und abenteuerlich ist die Kleidung der Sonnenanbeter, die hier liegen. Hosenbeine
und Ärmel wurden hochgekrempelt. Blusen geöffnet; gelegentlich blitzt sogar ein
blanker, weißer Busen der Sonne entgegen. Nackte, vom Schuhwerk befreite Zehen
bewegen sich spielerisch genüsslich; zeigen noch die Hornhaut des Winters –
(man konnte doch nicht ahnen, daß heute so schönes Wetter sein würde) - oder
sind sommerhungrig mit buntem Lack geschmückt.
Ein kleines Kind wird durch die Mutter energisch seiner Kleider
beraubt, was unter lautstarkem Protestgeplärre vor sich geht. Das wütende Geschrei
verstummt erst, als „man“ einen anderen Buben entdeckt, der ebenso nackt auf
der Wiese steht. Der gerade – aus lauter Verlegenheit - eingehend prüft, ob
sein „Spatzerl“ tatsächlich fest angewachsen ist.
„Hörst auf!“ mahnt die Mutter den „prüfenden“ Knaben anstandshalber,
mäßig interessiert, nicht wirklich irritiert. Zieht mit diesen Worten den
Ausschnitt ihres viel zu warmen Pullis so weit als möglich über die Schultern
herab, legt sich auf den Rücken und schließt zufrieden die Augen.
„Dass du mir nicht zum Ententeich gehst“, murmelt sie noch, bevor
sie in der Sonne wegdöst.
Der kleine Junge nickt halbherzig. Blickt abwägend in Richtung
Ententeich und setzt in Ermangelung weiterer Direktiven seine Selbsterforschung
fort.
Dann entdeckt er jedoch auf einmal etwas ganz seltsames.
Einen Buben (?) – ohne Spatzerl!?
Prüfend blickt er zum Vergleich noch Mal an sich hinab.
Vorsichtig nähert er sich dem faszinierenden Wesen.
„Wie heißt`n du?“ fragt er.
„Everl“, piepst es zurück.
Pause.
Dann etwas vorwurfsvoll der kleine Junge: „Du hast ja gar kein
Spatzerl!“
„Ich brauch kein`s, hat die Mami g`sagt. Ich bin ein Mäderl, hat die
Mami g`sagt.“
Nachdenklich saugt der kleine Junge an einem Finger und versucht
herauszufinden, welch weitreichende Konsequenzen diese Aussage für ihn wohl
haben mochte.
„Du! Wie heißt’n d u?“ will
das Everl ganz junge Dame wissen.
„Adam!“ kommt die stolze Antwort.
Sie nickt gewichtig. Wirft dann einen vorsichtigen Blick in die
Runde, besser gesagt auf die vor sich hindösenden
Mütter und spricht mit verlockender Stimme.
„Gemma Enten schau`n?“
Und Klein-Adam, von so viel Charme und Seelenübereinstimmung
überwältigt, wirft augenblicklich sämtliche Bedenken über Bord und greift kurz
entschlossen nach Everls Hand. Dann watscheln beide splitterfasernackt,
kichernd und auf niedlich kurzen, wohlgenährten Kinderbeinen Richtung
Ententeich.
Adam und Everl im Burggarten.
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