CHRISTKINDL
Die schwache
Wintersonne hatte sich hinter dicken, grauen Schneewolken verkrochen. Eisiger
Wind fuhr pfeifend durch hohe Wipfel, die sich unter seiner Wucht beugten und
Pulverschnee in kaltfeuchter, silbriger Wolke auf die Menschen herabstäubten,
die sich soeben im kniehohen Schnee die Anhöhe empor kämpften. Die Familie, die
im alten Meierhof des Schlosses Rosenegg die Feiertage verbrachte, war vor
einiger Zeit losmarschiert, um der berühmten Wallfahrtskirche in Christkindl
einen vorweihnachtlichen Besuch abzustatten.
Die Abkürzung war
keine gute Idee, stellte eine dick vermummte, weibliche Gestalt bei sich selbst fest.
"Brrr! Ist das
kalt!" äußerte sich ein zehn Jahre altes Mädchen, das dem Rest der Familie,
Energie geladen, einige Schritte vorausgeeilt war.
"Will nach
Hause", murrte eine kleine Gestalt in einen dicken Schal, der die untere
Gesichtshälfte verbarg; schmiegte sich dabei Mitleid heischend an seine vom
Aufstieg atemlose Mutter, die schnaufend stehengeblieben war.
"Nur mehr ein kleines
Stückchen", versuchte sie ihren kleinen Sohn zu motivieren. Strich ihm mit
Fäustling bewehrter Hand über die dicke Wollmütze, unter der blonde Löckchen
vorwitzig hervorlugten.
"Du warst bisher
so tapfer", lobte sie den Fünfjährigen leise. "Da wirst Du doch jetzt
nicht aufgeben", flüsterte sie ihm zu; hob ihn bei diesen Worten aber
vorsichtshalber, zärtlich hoch.
"Ist das schön
hier", meinte der Vater fröhlich, der den Abschluss gebildet hatte und
jetzt zu der wartenden Gruppe stieß.
"Hat sich doch
ausgezahlt, die ganze Plackerei, nicht wahr?" schnaufte er und blickte
Beifall heischend in die Runde.
"Jetzt sehen wir
uns die Kirche an, und dann geht es wieder nach Hause! In die warme Stube!"
trompetete er gutgelaunt mit lauter Stimme.
"Mach nicht so
einen Lärm", mahnte seine Frau, da er die Stille, die bisher über der
Landschaft gelegen hatte, empfindlich störte. Dann trug sie ihren müden, kleinen
Sohn die letzten Schritte bis zur Kirche auf dem Arm.
Vater und Tochter
hatten die wenigen Schritte, die sie von
dem engelgeschmückten Portal trennten, bereits zurückgelegt und öffneten
gerade gemeinsam die schwere, mit Eisenrosetten verzierte Tür.
Sie schwang ächzend
auf und gab den Blick frei auf das Gold schimmernde, prunkvolle Innere der
Kirche, das die Eintretenden zu atemloser Bewunderung veranlasste.
Die Kirche selbst war
an und für sich nicht sonderlich groß, aber von außergewöhnlicher Schönheit. Kerzen
spendeten verschwenderisch warmes, flackerndes Licht. Ein Gefühl von unglaublichem Frieden umfing die Eintretenden
wie eine sanfte Frühlingsbrise, die den Panzer selbst seit langer Zeit
verhärteter Herzen schmelzen lässt.
"Macht doch die
Tür zu", murmelte der Vater entgegen seiner sonstigen Gewohnheit sehr
leise. Dann ging er zu seinen Kindern, legte seine Arme um ihre Schultern und
zog die beiden eng an sich.
Stille umgab sie, nur
das feine Knistern und leise Zischen brennender Kerzen war zu hören, sowie das
sich allmählich beruhigende Atmen der kleinen Menschengruppe. Die Kinder zogen
die schützenden Fäustlinge von den Händen und bliesen den warmen Atem auf die
vor Kälte steifen Finger; tauchten diese dann in den Weihwasserkessel und
schlugen das Kreuzzeichen, wie sie es gelernt hatten.
Das aufgeweckte
Mädchen entdeckte e s natürlich als erstes und jubelte in seiner
unbekümmerten Art laut auf; beendete die weihevolle Stimmung durch seine
Fröhlichkeit.
"Seht doch! So
seht doch!" rief sie. Zeigte auf das kleine, vielleicht nur 10 cm große Jesuskind,
das über dem Altar in einem prächtig geschnitzten und vergoldeten Schrein, oberhalb
des als Weltkugel geformten Tabernakels, aufbewahrt wurde.
„Was hat es denn da
in der Hand?“ wollte ihr Bruder wissen.
Das Mädchen kniff die
Augen zusammen, als wenn es schlecht sehen würde.
„Das ist ein
Kreuz…und eine Dornenkrone“ erklärte sie dann eifrig.
"Friert es denn
nicht?" fragte der kleine Junge unvermittelt. Bei diesen Worten sogar ein
wenig fröstelnd.
„Wer?“ fragte seine
Schwester verblüfft zurück.
„Na, das Kind.“
"Aber das ist
doch aus Wachs!" kicherte die Schwester.
"Wachs?" staunte
der Bruder. „Das Kind ist aus Wachs?“ blickte er misstrauisch.
Er hatte noch nie von
einem 'Wachskind' gehört! Und überdies wusste er aus bitterer Erfahrung, dass
sich seine Schwester gerne kleine Scherze mit ihm erlaubte.
„Jawohl! Aus Wachs!“
bestätigte sein Schwesterlein.
„Das ist die berühmte
Gnadenfigur“, erklärte die Mutter, die der Unterhaltung der Beiden zugehört
hatte. „Im Jahre 1695 stellte ein sehr kranker Mann, namens Ferdinand Sertl,
ein kleines Jesuskind aus Wachs in die Höhlung einer Fichte und betete aus
ganzem Herzen, dass ihm geholfen werde. Tagtäglich flehte er um seine Genesung.
Und tatsächlich wurde er geheilt. Das sprach sich natürlich herum, und es kamen
immer mehr Menschen, die das Jesuskind ebenfalls um Hilfe baten. Man nannte den
Platz „Zum Christkindl unterm Himmel“, und eines Tages war es soweit, dass um
dieses Plätzchen herum eine Kirche gebaut wurde und zwar im Jahre 1702.“
„Weißt Du übrigens,
welcher berühmte Baumeister hier mitgewirkt hat?“ wandte sie sich an ihre
Tochter.
"Ohhh! Hier gibt
es das Christkind ja noch einmal!" begeisterte sich das Mädchen, um von
ihrem Nichtwissen abzulenken.
„Jakob Prandtauer“
klärte sie die Mutter völlig sinnlos auf. Der kleine Wildfang wies nämlich
bereits aufgeregt auf ein abseits stehendes, spitzentuchgeschmücktes Tischchen,
auf dem allerlei buntes Spielzeug, Strohsterne und auch eine kleinere Kopien
des Jesuskindes feilgeboten wurden.
Das Mädchen konnte
sich daran gar nicht satt sehen und betrachtete die Schätze mit offenem Mund.
Aber die Augen des
kleinen Jungen blieben nicht an denselben Dingen hängen, die seine Schwester so
begeisterten.
"Das schöne
Pferdchen", hauchte er hingerissen und trippelte eilig darauf zu;
betrachtete es mit glänzenden Augen, wobei er sich auf Zehenspitzen stellen
musste, um überhaupt auf den Tisch hinaufzusehen.
Es war aber auch
wirklich ein ganz besonders schönes, glänzend schwarz lackiertes Holzpferdchen,
das mit einem tiefroten Samtsattel und goldenen Seidenfadenzaumzeug versehen
war. Am besten gefiel ihm aber das Glöckchen, das das Pferdchen an einer
tannengrünen Kordel um den Hals trug.
Der Knabe stand schon
eine ganze Weile auf den Zehen, als er endlich zu schwanken begann. Und beinahe
hätte er das Tischtuch samt den darauf befindlichen Gegenständen herab gerissen,
da ihm die müden Beine endgültig den Dienst versagten.
Da packten ihn im
letzten Moment zwei kräftige Mädchenarme hilfreich und hoben ihn hoch, so dass
er wieder die bunten Herrlichkeiten betrachten konnte.
"Ist es nicht
wunderschön?" flüsterte ihm seine Schwester ganz leise ins Ohr.
Er nickte begeistert
und zustimmend.
"Ja! Das ist das
aller-, allerschönste Pferdchen, das ich je gesehen habe", gluckste er
fröhlich.
"Blödsinn!"
antwortete sie rüde und setzte ihn unsanft ab.
"Ich meine doch
das Christkind! D a s ist wunderschön!" klärte sie ihn auf und
starrte begehrlich auf die kleinen Figuren.
Dann las sie langsam
das danebenstehende Schildchen vor: "Zugunsten bedürftiger Kinder. Jedes
Stück 50,-- Schillinge."
"Ob Mami und
Papi uns etwas kaufen?" überlegte sie laut.
Platzte dann mit
ihrer schönsten Schmeichelstimme heraus: "Papi! Kaufst du uns was?"
"Bitte!
Bitte!" stimmte der kleine Bruder sofort eifrig in den Bettelchor ein.
Tatsächlich griff der
Vater lachend in die Hosentasche, um die Brieftasche zu zücken, jedoch leider
vergeblich.
"Verdammt! Ich
habe das Geld zu Hause gelassen", rutschte ihm heraus.
"Hör auf zu
fluchen! Du bist in einer Kirche!" flüsterte seine Frau und begann nun
ihrerseits in den Manteltaschen zu kramen.
"Ich habe auch
kein Geld bei mir", stellte sie gleich darauf verärgert und bedauernd fest.
„Wir wollten doch nur
einen Spaziergang machen“, zuckte sie hilflos mit den Achseln, als sie in die
enttäuschten Kindergesichter blickte.
"Ich w i l l
aber das Christkind", kam es trotzig und den Tränen bedrohlich nahe
aus der Richtung des Mädchens.
"Ich bezahle es
selbst - vom Weihnachtsgeld, das mir die Tante gegeben hat", bot sie den
Eltern an.
Und heulte gleich
darauf laut los. Wütend auf sich selbst.
War ihr doch
eingefallen, dass besagte Scheine wohl verwahrt zu Hause in der Sparbüchse
lagen.
"Tut mir
wirklich leid", meinte ihre Mutter; strich dem Töchterchen tröstend über
die Wangen.
"Kommt! Wir
gehen jetzt!" ärgerte sich der Vater, dass der schöne Ausflug in Tränen
enden musste.
Der kleine Junge
hatte sich bisher erstaunlich ruhig verhalten. Nur Wangen und Ohren waren vor
Aufregung knallrot, sein Herz pochte heftig; seine linke Hand glitt in den
Fäustling zurück und umklammerte dort den Schatz, den er trotz mütterlichen
Verbotes mitgenommen hatte.
Auch ihm hatte die alte
Tante Geldscheine zugesteckt.
"Pass gut auf,
das sind 50 Schillinge! Damit kannst du dir eine Menge Süßigkeiten kaufen",
lächelte sie.
Seither schwelgte er
in der Vorfreude auf den Genuss von Gummibärlis, Colafläschchen und sonstigen
Leckereien, die in großen Glasbehältern in "seinem" Süßwarengeschäft
auf ihn warteten. Leckereien, die jetzt allerdings vergessen waren.
Stattdessen musste er
nun eine sehr, sehr schwere Entscheidung treffen.
Da gab es dieses
wunderschöne Pferdchen, das verlockend vor ihm stand. Ein Spielzeug, das so
lebensecht wirkte, als ob es nur darauf wartete, fröhlich wiehernd über den Tisch zu galoppieren.
Dieses prächtige,
bunte, goldgezäumte, rotgesattelte, lackschwarzglänzende Pferdchen, das ganz
offensichtlich von ihm mitgenommen werden wollte!
Andererseits weinte
seine große Schwester so heftig und ungeniert, wie er sie noch nie hatte weinen
sehen. Und es lag in seiner Macht, ihre Tränen zu stillen!
Die heftigen Kämpfe,
die er mit sich ausfocht, zeichneten sich sichtbar auf dem normaler Weise glatten,
faltenlosen Kindergesicht ab. Und schließlich bot der kleine Junge seiner
Umwelt vor lauter Grübeln und wegen der schweren Entscheidung eine ziemlich
finstere Miene dar.
"Kommt
jetzt!" unterbrach die Stimme des Vaters seine Überlegungen.
"Kommt! Es wird
schon finster. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns!" drängte er. Und warf
einen prüfenden und besorgten Blick in den wolkenbedeckten Himmel, der sich
Schnee dräuend über ihnen wölbte, als sie ins Freie traten.
"Hör jetzt
endlich auf zu heulen", herrschte er gleich darauf seine noch immer
schluchzende Tochter an. Er vertrug es absolut nicht, wenn eines seiner Kinder
unglücklich war.
Der kleine Junge aber
stand wie eingefroren und starrte noch immer auf das Tischchen.
Dann fiel die
Entscheidung.
Blitzschnell.
Er zog die
Geldscheine aus dem Fäustling, steckte sie, nochmals auf Zehenspitzen
balancierend, in die dafür vorgesehene Kasse und griff nach dem heißbegehrten
Gegenstand auf dem Tisch.
Eilig lief er seiner
Familie nach, deren schmollendes und schniefendes Schlusslicht seine Schwester
bildete. Beinahe wäre er in dem tiefen Schnee gestolpert, konnte den Sturz aber
gerade noch verhindern. Dann hielt er dem Mädchen, vor Anstrengung und
Aufregung keuchend, die um einen Gegenstand schützend gewölbten Hände entgegen.
Öffnete sie ganz langsam und starrte seine Schwester gespannt an.
Sie schrie leise auf.
Ihre Augen wurden riesengroß vor Überraschung.
"Hast du es
bezahlt?“ wollte sie dann, sehr leise, Schlimmes befürchtend, wissen.
Energisches Nicken
ihres kleinen Bruders.
„Womit denn?"
wollte sie neugierig wissen. Und ein letztes Tränlein, möglicher Weise der
Freude, rollte dabei über ihre Wange.
"Tante! Geld"
teilte er stolz, aber etwas wortkarg mit.
"Dass du das für
mich getan hast!" flüsterte seine große Schwester und ergriff vorsichtig das winzige, wächserne Jesuskind.
Dann nahm sie die Hand ihres kleinen Bruders ganz fest in die ihre, und so
schritten die Beiden in vollkommener Eintracht nebeneinander her.
Zu Hause angelangt,
war sie ihm bei der Anfertigung einer äußerst schwierigen und komplizierten
Zeichnung behilflich, die in einen an das Christkind adressierten Umschlag
gesteckt und ins Fenster gestellt wurde.
"Mach dir aber
nicht zu große Hoffnungen", warnte sie ihren Bruder, "das Christkind
hat ja so viel zu tun!"
Aber er ließ sich
nicht entmutigen, teilte seinen Herzenswunsch zur Sicherheit noch mal während
des Abendgebetes dem Christkind mit und schloss dann zuversichtlich die Augen,
um in einen tiefen, erholsamen Schlaf zu fallen.
Am nächsten Morgen
war der Umschlag verschwunden, und der kleine Junge daher bester Laune.
Der Weihnachtsabend
war endlich da. Eine prächtige Silbertanne schmückte das Wohnzimmer im alten Meierhof.
Buntbemalte Figürchen aus Holz, Salzteig und aus Pappmache´, funkelnde
Glassterne, leuchtend rote Kugeln und weiße Kerzen zierten den Baum, der den
köstlichen Duft des Waldes verströmte.
Und ganz vorne, auf
einer Astspitze, in seiner Augenhöhe, entdeckte der Junge eine wohlbekannte,
kleine Wachsfigur, die sich in der warmen Luft langsam drehte und ihren
Betrachter fröhlich anzulächeln schien.
Aber unter den
zahlreichen, in weihnachtliches Glanzpapier verpackten Päckchen, befand sich
eines, das schon während des Singens der Weihnachtslieder seine Blicke magisch
angezogen hatte.
Hat mir das das
Christkind gebracht? zeigte er darauf; blickte seine Mutter mit großen Augen
fragend an.
Sie lächelte und
nickte.
Er zappelte vor
Ungeduld, dass er dieses „Weihnachts-Bonbon“ endlich öffnen dürfe. Denn wie ein
großes Bonbon sah es ja tatsächlich aus. Siegessicher griff er als erstes
danach, riss das Papier aufgeregt in Fetzen und - da war es! Sein Glöckchen geschmücktes,
schwarz lackiertes, rot gesatteltes Holzpferdchen!
Als sich seine
triumphierende Begeisterung ein wenig gelegt hatte, und er, selig spielend, das
heiß ersehnte Spielzeug über den Teppich galoppieren ließ, freute er sich
zuerst aus tiefstem Herzen, dass das Christkind bei der vielen Arbeit tatsächlich
noch Zeit gefunden hatte, seinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen.
Doch dann fiel ihm
schuldbewusst ein, dass das Christkind die Mühsal des weiten Weges nach
Christkindl, so steil bergauf und durch
kniehohen Schnee, seinetwegen auf sich genommen hatte.
Aber plötzlich fiel
es ihm wie Schuppen von den Augen.
Er hatte vergessen,
dass Engel f l i e g e n können!
Und da fühlte er sich
gleich viel, viel besser.
Das hatte die Sache
für das Christkind sicher um einiges einfacher
gemacht.
©Gitta Landgraf-Hausmann
2015
INFORMATIONEN AUS DEM INTERNET
Christkindl ist ein Stadtteil von
Steyr und beheimatet die Wallfahrtskirche Christkindl (benannt nach einer
wächsernen Christkindl-Figur am Altar) wie auch ein Sonderpostamt.
International bekannt wurde Christkindl, als die österreichische Post 1950 das
Sonderpostamt A-4411 Christkindl einrichtete, das seither jedes Jahr in der
Adventzeit Grußsendungen mit einem speziellen Weihnachtsmotiv-Sonderstempel
versieht. Pro Jahr werden heute über zwei Millionen Briefe über das
Sonderpostamt verschickt. Das Christkindl-Postamt beantwortet auch Kinderbriefe
ans Christkind.
Bereits zum vierten Mal findet im Jänner 2015 die
geführte Christkindlwallfahrt statt. Pilger können dabei ihre innere Ruhe nach
den hektischen Weihnachtsfeiertagen wiederfinden. Auch diese Saison werden
mehrere Termine mit den Christkindler Wallfahrtsbegleiterinnen Johanna Eisner
und Astrid Dunst angeboten. Von der Wallfahrtskirche Christkindl aus begibt man
sich bei der geführten Wallfahrt auf die Spur von Ferdinand Sertl, dessen
Heilung zur Gründung von Christkindl führte. Die erste Etappe führt nach Garsten,
wo der Bauherr der Christkindler Kirche Anselm Angerer damals Abt des
Benedikterstiftes war. In der ehemaligen Stiftskirche können die Pilger dem
Klang der Orgel lauschen. Anschließend geht es entlang der Enns nach Steyr zur
Stadtpfarrkirche, wo Ferdinand Sertl Stadtkapellmeister und Betreuer der
Feuerwache am Stadtpfarrkirchturm war. Andacht in der Stadtpfarrkirche mit
musikalischer Untermalung der Familienmusik Häusler. Die letzte Etappe führt
zurück nach Christkindl, wo Ferdinand Sertl nach geduldigem Beten von der
Epilepsie geheilt worden sein soll. In der Wallfahrtskirche Christkindl
gestalten Veronika und Andreas Kelcher ein kleines Konzert zum Abschluss.
© TVB Steyr
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Wallfahrtskirche Christkindl
1695 stellte der schwerkranke Türmer und Kapellmeister Ferdinand Sertl ein
kleines Jesuskind aus Wachs in die Höhlung einer Fichte. Mehrmals in der Woche
ging er dorthin um zu beten. Als er von der Epilepsie geheilt wurde, kamen so
viele Wallfahrer, dass der Bau einer Kirche notwendig wurde. Es entstand der Name
“Zum Christkindl unterm Himmel”. Die heutige Kirche wurde 1702 von Giovanni
Battista Carlone begonnen, und ab 1708 von Jakob Prandtauer vollendet. Die Gnadenfigur, ein nur 10 cm hohes, aus Wachs geformtes, stehendes Jesuskind, das Kreuz und Dornenkrone in Händen hält, befindet sich heute am Hochaltar in einem kleinen Schrein, oberhalb des als Weltkugel geformten Tabernakels.
Die Wallfahrtskirche Christkindl
Als um 1696 der an Fallsucht leidende Steyrer
Stadtmusikmeister Ferdinand Sertl durch seine Bittandachten vor einer kleinen
aus Wachs geformten Christkindfigur, die er in einem Wäldchen bei Unterhimmel
in die Höhlung einer Fichte gestellt hatte, geheilt wurde, pilgerten in den
nächsten Jahren viele Leute dorthin.
Abt Anselm I. von Garsten ließ hier vorerst eine
Einsiedelei errichten. Der wachsende Zulauf des Volkes aber veranlasste ihn,
1702 nach Plänen des Baumeisters Giovanni Battista Carlone den Bau einer Kirche
in Angriff zu nehmen. Sie wurde 1703 bis zum Gewölbeansatz fertig gestellt.
Erst in diesem Jahre ersuchte Anselm das bischöfliche Ordinariat zu Passau um
die Baubewilligung. Entrüstet über das eigenmächtige Vorgehen des Abtes,
verfügte Bischof Josef Dominik Graf von Lamberg die sofortige Einstellung der
Bauarbeiten. Nach fünf Jahren, am 16. April 1708, langte von Passau endlich die
Erlaubnis zur Weiterführung des Kirchenbaues ein, die nun dem Baumeister Jakob
Prandtauer übertragen wurde. Im Rahmen einer großen kirchlichen Feier am 29.
September 1709 konnte der Garstner Abt die Benediktion des im großen und ganzen
vollendeten Gotteshauses vornehmen. Um 1880 wurden die Fassadentürme
Prandtauers nach Plänen des Linzer Dombaumeisters Otto Schimmer erhöht.
Das der Kirche Santa Maria Rotonda (Pantheon) in
Rom ähnliche Gotteshaus ist mit seinem Rundbau und den vier Apsiden ein im
süddeutschen Barock isoliert stehendes Bauwerk. Man hatte es so erbaut, dass
Fichtenstamm und Gnadenbild auf dem ursprünglichen Platz verbleiben konnten.
Diese Fichte bildet das Kernstück des um 1720 jedenfalls von Leonhard Sattler
aus St. Florian gestalteten Hochaltares. Eine in Kupfer getriebene, vergoldete
Weltkugel, die der Kupferschmied Josef Hieber um 1760 anfertigte, bildet den
Tabernakel.
Das Kuppelfresko, darstellend die Himmelfahrt
Mariens und das in satten Farben gehaltene, figurenreiche Weihnachtsbild am
linken Seitenaltar malte der Garstner Hofmaler Karl von Restfeld. Das Gemälde
am rechten Seitenaltar, eine Kreuzigung von Karl Loth, stammt aus dem Kloster
Tegernsee in Bayern. Die mächtigen Altarrahmen schnitzte der Laienbruder Marian
Rittinger in Garsten.
Dr. Josef Ofner